Monday, 30 September 2013

Von Wattsche(n), Lotte und einem Wackelzahn

Es begab sich im September und der Zufall wollte es, dass Hansa und Dritte Wahl am gleichen Wochenende im Ruhrpott spielten. Meinen Bruder musste ich nicht lange bitten und so machten wir uns auf den Weg in eine der landschaftlich schönsten Gegenden Deutschlands.

Ich absolvierte die Hinreise im Zug, während sich der feine Herr rumkutschieren ließ. Unterwegs begegnete ich unter anderem einen sogenannten Rollstuhlfahrer, der allen Hansafans spätestens seit Chemnitz ein Begriff ist.  Am Wedaustadion in Duisburg traf ich dann meinen Bruder. Hansa wollte an diesem schönen Freitagabend einen Auswärtssieg einfahren, doch bis zum Spielbeginn hatten wir noch reichlich Zeit. So konnten wir das Pre-Match-Programm in seiner ganzen Grausamkeit genießen. Noch nie habe ich eine derartige kommerzielle Ausschlachtung eines Fußballspiels erlebt. Und noch nie einen derart nervenden und schreienden Stadionsprecher. Aber gut, wer sein Stadion Schauinslandreisenarena nennt ...
Das Spiel war leider gar nicht mal so gut. Hansa kam nur durch Standards zu Torchancen und die Meidericher gewannen mit 2:0. Erinnerungen an überwunden geglaubte Tiefpunkte wurden wach. Kurz vor Schluss wurde noch eine feindliche Ultragruppierung beerdigt, auch wenn der Stadionsprecher meinte, sich über das Verbrennen einer Hansafahne im Gästeblock lustig machen zu müssen. Der Sinn der anschließenden sportlichen Betätigung einiger dickbäuchiger Jogginghosenträger wird sich mir vermutlich nie erschließen. Nun ja.

Immerhin war der Tiefpunkt des Wochenendes damit erreicht und fortan ging es aufwärts. Nach dem Spiel verließen wir den Pott Richtung Landeshauptstadt. Es ging nach Düsseldorf. Dort angekommen, checkten wir zunächst in einem mir schon bekannten Hostel ein. Anschließend erkundeten wir die Altstadt und vor allem das Nightlife. Gar nicht mal so spät ging es dann ins Bett.

Geweckt wurden wir denkbar unsanft. Die heimische Fortuna sollte an diesem Tag ein Heimspiel gegen den berühmten FSV Frankfurt absolvieren. Deren gefürchteter, vier-Mann-starker Hauptmob riss uns mit seinen Gesängen aus den Träumen. Bei schönstem Wetter machten wir aus der Not eine Tugend und frühstückten erst mal ausgiebig am Rhein. Durch den Weckruf hatten wir sicherlich die eine oder andere Stunde gewonnen. Das Konzert war für den Abend terminiert und so galt es den Tag sinnvoll zu füllen. Schnell einigten wir uns auf Fußball. Fortuna - FSV fiel dabei genauso durchs Raster wie BVB - Freiburg. Wir entschieden uns für einen echten Klassiker: Wattenscheid 09 - Sportfreunde Lotte im Lohrheide-Stadion.










Wattsche - Lotte 1:1

Flugs ging es nach Wattenscheid, doch schon am Bahnhhof die erste Ernüchterung. Es gab keine Schließfächer und wir hatten gerade eingekauft. Doch am Stadion gab es Entwarnung. Ein Ordner verkaufte die Karte, der zweite riss sie ab. Kontrolle: Fehlanzeige. So machten wir uns es gut versorgt sonnigen Stehbereich gemütlich und verfolgten mäßig interessiert eine mäßige Regionalligapartie. Höhepunkt war vermutlichg, als sich zwei Polizisten darüber wunderten, dass es selbst in diesen Niederungen des Fußballs noch Ultras gab. Das Spiel endete dann 1:1, weil der Keeper von Wattsche (so nennen die Einheimischen ihr Team) einen wirklich guten Tag erlebte. Aber es bleibt festzuhalten: Mit Sonne und Bier und ohne emotionale Beteiligung ist Fußball gar nicht mal sooo scheiße. 

Die nächste Station war Dortmund, das uns als strategisch-sinnvollster Ort für den, wann auch immer erfolgenden, Heimreisestart erschien. Während sich dort alle über den Sieg der örtlichen Sportgruppe freuten, verstauten wir unsere Sachen. Anschließend stiegen wir in den falschen Zug und drehten deshalb eine extragroße Runde durch eine der schönsten Gegenden Deutschlands. Also den Ruhrpott. Dabei konnten wir unsere üppigen Bierreserven noch gewinnbringend einsetzen. 

Freibier und ein Wackelzahn

Schließlich erreichten wir einen abgelegenen Bahnhof in Bochum. Dort sollte später das Konzert stattfinden. Zunächst wurden wir jedoch mit Schnaps begrüßt. Die Einlasssituation stellte sich entspannt dar. Das Konzert war schlicht und ergreifend großartig. Dritte Wahl fetzt einfach. Nur meinem Bruder schlug es etwas auf den Magen, oder besser gesagt auf den Zahn. Und während ich die Gelegenheit nach dem Konzert nutzte und noch auf ein Freigetränk vorbeischaute, torkelte er benommen durch die Gegend. Anschließend erstand ich noch ein Trikot. Aber man muss schon sehr großes Vertrauen in den Verkäufer haben, wenn man seine Kreditkarte in einen dubiosen Handyaufsatz steckt. In dem Fall war das Vertrauen aber begründet.

Zurück am Gleis überlegten wir, wie wir nun den restlichen Abend rumbekommen könnten. In dieser suburbanen Gegend fahren die Züge nämlich erst ab ca. 7 Uhr. Das müsste man sich mal bei uns vorstellen. WET wäre nicht machbar. Einige merkwürdige Gestalten luden uns ein, sie nach Oberhausen zu begleiten. Das erschien uns damals zu gewagt, wäre im Nachhinein aber vermutlich die lustigere Alternative gewesen. Stattdessen entschieden wir uns für das Bochumer Zentrum. Die erste Kneipe war schon am Zumachen, der erste Club vor allem teuer. Erst im dritten Anlauf fanden wir eine recht coole Location und tauschten den Freischnaps erfolgreich gegen ein paar Euro Ermäßigung. Mein Bruder wackelte jedoch immernoch mehr mit seinem Zahn als mit den Hüften und so stand ich ziemlich allein da. Die Zeit entwickelte die Dehnbarkeit von Kaugummi und wurde immer länger. Irgendwann reichte es dann und wir begaben uns zurück zum Bahnhof.

Leider waren es immernoch mehrere Stunden, bis der erste Zug Richtung Heimat startete. So gammelten wir ein bisschen in Bochum rum. Dann fuhren wir nach Dortmund und gammelten dort im für die Uhrzeit sehr gut gefüllten Bahnhof weiter. Irgendwann wurde uns auch das zu anstrengend und so legten wir uns schlafen. Mangels Alternativen vor unserem Schließfach. Kurios ist nur, dass wir längst nicht die einzigen waren, die diese Option wählten. Gegen 7 startete dann endlich ein Zug aus dem Ruhrpoot raus und für uns gab es kein Halten. Als wir das nächste mal blinzelten, waren wir schon in Kassel - und damit fast wieder zu Hause.



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