Coventry lag hinter mir. Auf direktem Weg ging es nach Manchester. Es wartete mein erster Besuch im legendären Old Trafford Stadium, dem Theater der Träume. Davor gestanden hatte ich ja schonmal. Schlafmangel sei dank, verging die Zeit im Bus auch wie im Flug. Kurz vor 10 am Sonntagmorgen erreichte ich die Stadt, in der ich mich seltsam heimisch fühlte.
Das lag sicher an unserem letzten Besuch, der noch gar nicht lange zurück lag. Erwähnenswert sind noch zwei Typen, die seit Coventry im gleichen Bus gereist waren: Das englische Elsterglanz-Double. Der eine war relativ dünn und trug eine knallbunte kurze Hose (90er Style) und eine halbe Kniebandage. Der andere war ein wirkliches Prachtexemplar: Platte und Plautze, 2,5-Tage-Bart und Fliegerbrille. Dazu kam seine Kleidung: Dreckig-rosa T-Shirt, pinke Hose, eine lila Trainingsjacke und die blau-roten Hallenfußballschuhe von Adidas. Leider versagte mein Fotoapparat in diesem Moment.
Da noch etwas Zeit war, zog es mich in den nächstgelegenen Whetherspoons-Pub zum Frühstücken. Der ein oder andere erinnert sich vielleicht noch an die rollige 16-Jährige in jenem Lokal. Nach einem Large English Breakfest ging es zum Stadion. Zusammen mit hunderten anderen. Schon von außen ahnt man den Zauber des Old Traffords. Vor dem Einlass hieß natürlich wieder einmal Tasche filzen. Doch der Ordner war wesentlich intelligenter: Er durchsuchte alle Seitentaschen, ließ die Sachen aber darin und packte schließlich den kompletten Rucksack in die Plastetüte. Sparte mir das Zurückpacken später.
Mit ca. zweiminütiger Verspätung betrat ich das Stadion. Wow! So sollten Stadien aussehen.
Schon zum ersten Spiel (Ägypten gegen Neuseeland) war das Stadion gut gefüllt. Bei den Sitzplätzen hat man aber offensichtlich nicht Rostocker Modelathleten zum Vorbild genommen. Es war also ein wenig eng. Neben mir saßen zwei pensionierte englische Fußballfans, die schon in den 60ern Spiele im Old Trafford gesehen hatten. Über den kompletten Nachmittag waren sie sehr angenehme Gesprächspartner. Die Atmosphäre war überwältigend. Olympisch.
Der Höhepunkt des Tages war ohne Zweifel das Spiel der Brasilianer gegen Belarus. Zu diesem war das Stadion auch fast voll. Die halbe brasilianische A-Nationalmannschaft stand auf dem Platz und zeigte ein wirklich gutes Spiel. Es hatte sich also definitiv gelohnt, nach Manchester zu kommen. Anschließend hieß es leider schon wieder Abschied nehmen, doch ich gehe davon aus, dass es nicht mein letzter Besuch in dieser Stadt war.
Nun ging es zurück nach London. Deutschland war zu diesem Zeitpunkt noch immer ohne Medaille.
Am nächsten Morgen berichtete ich ein weiteres Mal als Auslandskorrespondent. Danach wollte ich mir beim Public Viewing im Hyde Parc die Zeit bis zum Rückflug vertreiben. Diese Rechnung hatte ich allerdings ohne Sicherheitswahn und Kommerz gemacht. Dass man Getränkeflaschen nicht mit in die Anlage nehmen durfte, hatte ich erwartet. Dass ich jedoch sämtliches Essen, welches ich dabei hatte, ebenfalls entsorgen sollte, überraschte mich und ärgerte mich auch. Klar wollen die in der Anlage teures Essen verkaufen. Aber hallo?! Ich verzichtete also auf den Besuch der Anlage. Bei der Weitersuche nach einer Übertragungsstätte verkalkulierte ich mich leider. Der neue Plan sah vor, in einem günstigen Pub vor dem Fernseher die Zeit zu verdaddeln. Es scheiterte jedoch an der Übertragung. Oder an günstig. Bisweilen an beidem. So verlor ich einige Zeit, doch schließlich fand ich doch noch einen geeigneten Pub.
Blick auf das Olympiastadion London |
Dort kam ich noch kurz mit zwei Mädels aus Schweden ins Gespräch. Doch so komplett das gelbe vom Ei war das Ganze leider nicht. Mein Bus sollte 15.40 von Stratford fahren und ich machte mich rechtzeitig auf den Weg dahin. Hier offenbarte sich das ganze Ausmaß meiner Fehleinschätzung. Neben dem Olympia-Parc befindet sich ein gigantisches Shoppingcenter. Dort hätte ich an mehreren Stellen die Spiele gucken können. Inmitten von olympiabegeisterten Menschen und mit Blick auf das Stadion. Selbst der Besuch des Parks wäre gegen eine mäßig-günstige Summe möglich gewesen. Aber nachher ist man immer schlauer.
Die Rückreise verlief ereignislos. Der Flieger hatte wohl Rückenwind und beeilte sich mächtig. Entsprechend früh war ich wieder in Leipzig. Dort wurde ich von meiner strahlenden Freundin in Empfang genommen. Ein würdiger Abschluss der Reise. So richtig wurde mir die Bedeutuing des Trips aber erst am nächsten Tag bewusst, während ich die Spiele schaute: Bei einer Einblendung des Olympiastadions wurde mir klar, dass auch ich dort gewesen bin und ein kleiner Teil dieser Spiele bin. Und das aufgrund der olympischen Flamme in meinem Herzen die Spiele nach Leipzig zurückgekehrt sind. Zumindest ein bisschen. Die Erfüllung eines Traums!
No comments:
Post a Comment