Ende August war Maxi ohne mich eine Woche im Urlaub. Es wurde eine Woche voller Abenteuer. Eine Woche mit sozialer Kälte und menschlicher Wärme. Mit kulinarischen Köstlichkeiten und zahllosen Reisekilometern. Alle waren sie da. Auch Erich Honecka. Doch lest selbst:
Los ging es am Freitagabend mit dem Besuch des (zweit)größten Volksfestes in Mitteldeutschland. Kleiner Tipp: Es ist nicht die Eisleber Wiese. Da war Maxi sogar noch dabei. Gemeinsam erkundeten wir die Peißnitz und gingen anschließend zur Bühne um Stanfour zu sehen. Im Radio klingt diese Band durchaus vernünftig. Live waren sie furchtbar langweilig. Das Ende des Konzerts fand ohne uns statt.
Früh am nächsten Morgen ging es wieder raus. Der Berg rief. Die traditionelle Brockentour stand auf dem Programm. Aufgrund von Schienenersatzverkehr diesmal leider nicht mit Fahrrad, sondern per Pedes. Der Busfahrer hatte seinem Bus vorsichtshalber trotzdem ein ICE-Schild verpasst (siehe Bild links). Sicher ist sicher. In Schierke angekommen, marschierte die sechsköpfige Gruppe auch sofort los. Zielstrebig näherten wir uns dem Gipfel. Doch am Goethesteig fiel das Feld wie gewohnt auseinander. Glücklicherweise fanden wir schnell wieder zu einander, sonst wären einige wohl für immer verloren gewesen. Denn auf dem Brocken war es so neblig wie (wohl) noch nie bei meinen mittlerweile sieben Aufstiegen. Die Rückfahrt verlief eher unspektakulär. Mein Brüderlein begleitete mich direkt bis nach Leipzig.
Dort schmierten wir erstmal 22 Brötchen, den schon früh am nächsten Morgen ging es weiter. 4.30 Uhr traf sich die Reisegruppe am Leipziger Hauptbahnhof. Ziel war Darmstadt und wir hatten genug zu Essen mit für reichlich flache Wortspiele in diese Richtung. Mit dabei war auch der Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Staatsratvorsitzender der Deutschen Demokratischen Republik, Erich Honecker. Dieser hätte am Samstag seinen 100. Geburtstag gefeiert. Entsprechend hatten wir das Motto gewählt und firmierten fortan als "Reisegruppe Erich".
Zunächst ging es gen Eisennach. Auf dem Weg dorthin trafen wir in Weimar Jasmin Eismann. Diese schaffte es, den lüsternen Jungs innerhalb von drei Minuten ihre komplette Lebensgeschichte zu erzählen. Im Sonnenaufgang erstrahlte die Wartburg. Ein echtes Highlight der Reise. Legendär erklärte Heiko zudem seinen kleinen Kaffee. Danach ging es rapide bergab. Die soziale Kälte im Westen schlug mit voller Härte zu. Zunächst in Bebra, wo von der Sonne Eisennachs nichts mehr zu sehen war. Stattdessen froren wir auf dem Bahnsteig. Der Stop in Fulda sollte zum absoluten Tiefpunkt werden. Zwei übermotivierte Polizisten mussten unbedingt ihre Stationierung am Rande der Einöde rechtfertigen. All ihre entwürdigenden Maßnahmen wurden schließlich belohnt. Sie konnten unserer Kleinsten zwei Eddings abnehmen. Bürotechnik ist kein Verbrechen, ihr Assis!
Auch in Darmstadt war es kalt. Aber mehr wetterbedingt. Sozial ging es wieder bergauf. In zwei Gruppen loteten wir potentielle Heimwege aus. Die Darmstädter erwiesen sich dabei als freundliche Gastgeber. Im Stadion verteilte die Rostocker Fanszene große blaue, weiße und rote Mülltüten. Nicht die schlechteste Idee, zumal kurz darauf strömender Regen einsetzte. Genial auch, dass die Profis damit unsere bescheidene Choreo zu Ehren Erich Honeckers unterstützen. Die Krönung war die Pyroshow (während auf dem Platz eine Rede gegen Gewalt, Rassismus und Pyrotechnik gehalten wurde). Alles für Erich. Das Spiel war (wieder einmal) kaum der Rede wert.
Auf dem Rückweg gelang es uns, mit einem eben so einfachen, wie genialen Schachzug, die Polizei auszutricksen. Dadurch erreichten wir den Bahnhof schon eine gute Stunde vor Abfahrt unseres Zuges und nicht erst wenige Minuten vorher. Das gab uns Zeit, uns zu versorgen. Erich hatte in der Zwischenzeit ein wenig gelitten. Der Regen hatte ihn in eine Punk-Variante mit grünen Haaren verwandelt. Nach einem längeren Aufenthalt in Frankfurt trafen wir einen netten Kolläesch im Zug. Dieser lehrte uns Grundzüge der hessischen Sprache und Freundlichkeit. Auch der Aufenthalt in Fulda war auf dem Heimweg wesentlich entspannter als auf der Hintour. Die Stunden verannen und die Heimat rückte näher und näher. Doch schließlich wurde unsere Gemütslage noch einmal auf eine harte Probe gestellt. Hatten wir doch den letzten vernünftigen Zug nach Leipzig verpasst. Und das obwohl der Schaffner sogar bescheid gesagt hatte, dass der andere Zug warten solle. Nach einer kurzen Verhandlung schrieb uns der Schaffner kurzerhand einen Taxigutschein bis Leipzig. An dieser Stelle mal ein ausdrückliches Lob an die Deutsche Bahn. Mit dem Taxi ging es dann nach Hause. Drittklassig spielen - erstklassig reisen!
Nur 2,5-Tage und drei Seiten Hausrabeit später ging es schon wieder los. Diesmal nach Burghausen. Es war eine sehr emotionale Fahrt, denn sollte meine letzte Tour mit dem Polo werden. Wie sehr werde ich diese Fahrten vermissen. Am Berg mit 80 km/h im 3. Gang. LKWs, die Nachts Lichthupe geben und ausscheren, um einen zu überholen. Oder die einen gleich den Berg hochschieben.
Wie gesagt, ich werd's echt vermissen.
Im Großraum Thüringen sammelten wir noch einen Zwerg und einen Riesen ein. Die Gewichtsverteilung im Auto war sehr unfair. Den knapp 45 Kilo links standen ca. 190 Kilo rechts gegenüber. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie groß Deutschland eigentlich ist. Die Fahrt zog sich und zog sich und zog sich. Gut zwei Stunden vor Spielbeginn sagte das Straßenschild plötzlich: Salzburg, 45 Kilometer. Wir waren in Burghausen angekommen. Zunächst kreuzten wir die Grenze an der Inn und tankten billig in Österreich. Anschließend gönnten wir und bajuwarische Köstlichkeiten und feinstes Augustiner. Da dieses in Ostdeutschland legal nur schwer zu beschaffen ist, schmuggelten wir auch eine Kiste mit nach Hause.
Am Stadion angekommen, gabs die nächste positive Überraschung. Bei bestem Wetter wurden wir selbst von der Polizei freundlich begrüßt und es gab sogar alkoholhaltiges Bier im Stadion. (Alkoholfreies ist in Bayern aber vermutlich auch per Todesstrafe verboten.) Das ganze Drumherum
vor dem Spiel war sehr nah dran an dem, wie es beim Fußball eigentlich sein sollte. Gut 300-400 Hanseaten hatten sich im Wackerstadion eingefunden. Die SVler konnten zumindest die ersten Minuten von der großen Rutsche des angrenzenden Freibades beobachten. Ein nicht alltäglicher Anblick. Das Spiel unserer Mannschaft war einmal mehr nicht der Rede wert. Halt. Stop. Es war furchtbar beschissen. Nichtsdestotrotz erreichten wir in der zweiten Halbzeit eine ziemliche brachiale Lautstärke. Am Ergebnis änderte das nichts mehr.
Auf der Rückfahrt wurde es furchtbar romantisch. Schon auf der Hinfahrt hatten wir "Cello" von Clueso auf Hansa umgedichtet. Auf dem Heimweg lief plötzlich "My Heart will go on" von Celine Dion. Die Autofenster waren runtergelassen und kurzerhand schnappte ich den vor mir sitzenden Pommes. Dieser breitete die Arme aus und wir spielten die schönste Szene aus "Titanic" nach. Im Polo, in Bayern. Die restlichen Stunden bis Ostdeutschland vergingen wie im Schlaf. Die Realität hieß dann wieder Hausarbeit und es folgte eine zweimonatige Hansaabstinenz. Und das mitten in der Saison.
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