Gestern hab ich es dann doch endlich geschafft. Zum ersten Mal seit meiner Abreise wohnte ich einem Fußballspiel im Stadion bei. Dabei trafen die Hearts of Midlothian im Tynecastle Stadium auf den FC Aberdeen.
Dass das Stadion gerade mal 15 Minuten Fußweg von meinem Wohnort entfernt ist, habe ich unter der Woche eher zufällig herausgefunden. Auf der Suche nach einer sinnvollen Wochenendbeschäftigung fiel mir dieser Fakt wieder ein und glücklicherweise stand auch direkt ein Heimspiel auf dem Plan. Auf der Homepage wurde zudem darum gebeten, frühzeitig zu erscheinen, da aufgrund der Witterung mit erheblichen Problemen beim Einlass gerechnet wurde.
Los ging's und unterwegs sicherte ich mir erstmal ein Programmheft - zum Schnäppchenpreis für 3 Pfund. Damals beim Eishockey hatte ich noch gedacht, dass dieser Preis eine Ausnahme wäre. Im Ticketshop beschäftigte ich den mich betreuenden Mitarbeiter für mehrere Minuten. Ich hatte mir einfach die günstigste verfügbare Studentenkarte erbeten. Diese bekam ich dann auch und begab mich direkt in meinen Block. Dort wartete ein Topplatz auf mich und das hatte ich für 12 Pfund nicht unbedingt erwartet. Ich saß in der dritten Reihe direkt neben/hinter dem Tor. Für Nichtkenner britischer Stadien bedarf es eventuell noch einer genaueren Erklärung: Im Gegensatz zu deutschen Stadien ist man hier richtig nah dran. Sicherheitszäune, Mauern und andere Abstandsinstitutionen sind Fehlanzeige. In Reihe 1 hinter dem Tor kann man das Tornetz berühren. Überwacht wird das ganze von ca. 2 Ordnern auf jeder der vier Seiten. Von meinem Platz in Reihe drei hätte ich dem Torhüter beim Abstoß die Hand geben können, ohne mich groß bewegen zu müssen. "Mittendrin statt nur dabei" würde der findige Werbetexter sagen. Bemerkenswert fand ich die Katzen (siehe Bild 1), die mit ihren Turnübungen versuchten, die Leute zu unterhalten.
Zum Spiel
Die Ausgangslage war denkbar einfach. Die Hearts waren Tabellendritter (hinter den beiden allmächtigen Glasgow-Teams) und hatten zudem in letzten Wochen einen ordentlichen Lauf. Aberdeen (spielte vor relativ kurzer Zeit im Uefa-Cup gegen den FC Bayern) dagegen bezog in den letzten Wochen reichlich Prügel und ist auf den letzten Platz abgerutscht. Nach zehn Minuten war das Spiel eigentlich schon gelaufen. Die Hearts führten mit 2:0. Der erste Treffer war ein wenig unübersichtlich. Mindestens das halbe Stadion beschwerte sich noch, weil man ein Handspiel gesehen hatte und den fälligen Elfmeter erwartete. Die Szene lief jedoch weiter und plötzlich zeigte der Schiedsrichter zum Anstoßkreis. Es dauerte einige Zeit, bis alle die Bedeutung dieses Zeichens verstanden hatten. Das zweite Tor fiel gefühlte Sekunden später. Sauber herausgespielt und abgeschlossen und so konnte ich diesmal auch aus 95 Metern Entfernung folgen.
Bis zur Halbzeit passierte nichts mehr. Nun hoffte ich natürlich auf mindestens einen Treffer in "meinem" Tor.
Der Wunsch wurde von den Hearts mehr als erfüllt. Das Spiel endete 5:0 und so fielen gleich drei Tore auf meiner Seite. Jeweils gingen den Treffern sehenswerteSpielzüge und Kombinationen voraus. Fußballhearts was willst du mehr.
Die Fans
Schon aus wissenschaftlichem Interesse beobachte ich natürlich immer das Verhalten der Zuschauer. Gut 13.400 hatten sich eingefunden, darunter 700-1000 Gästefans. Diese setzten auch die ersten Höhepunkte. Zunächst präsentierten sie eine "Zaunfahne", die sie als "Red Army 12" auswies. Dann eregten die gefürchteten Sektionen "Weihnachtsmann" und "Oberkörperfrei" Aufsehen. Zusammen mit vielen anderen kreierten diese beiden Gruppierungen einen halben Stehblock. Auch akkustisch konnte man sie zu Spielbeginn ein paar mal vernehmen. Doch nach den zwei frühen Gegentoren wurde das Singen erwartungsgemäß eingestellt.
Generell ist Support hier mit dem in Deutschland üblichen Dauergesinge nicht zu vergleichen. Lieder und Schlachtrufe flackern kurzzeitig in einem Block auf und verbreiten sich wellenartig durch das Stadion. Aber nach einem Durchgang ist in der Regel schon wieder Ruhe. Doch verglichen mit den Hibernianfans im letzten Jahr boten die Hearts-Supporters eine gute Vorstellung. Mit zunehmendem Vorsprung wurden Gesänge häufiger und auch die Mitmachqoute stieg spürbar. Verdient also durchaus den Namen Atmosphäre.
Die ärmste Sau von allen...
... war der Aberdeener Torhüter. Von den ca. acht Schüssen Richtung Tor gingen zwei drüber. Fünf waren unhaltbar im Tor. Bleibt also noch eine Aktion, wo er sich auszeichnen konnte. Und dann spielte er in der 2. Hälfte ja vor unserer Tribüne. Die nicht vorhandenen Abstände zwischen Spielfeld und Tribüne ermöglichen ein wesentlich effektiveres Pöbeln als zu Hause. In Deutschland ist individuelles Beleidigen kaum möglich. Dies geschieht mehr im Kollektiv. Hier hört der Torhüter dagegen jedes Wort. Ein Familienvater machte sich einen Spaß daraus, jede Aktion zu kommentieren. Er musste nicht mal brüllen, um verstanden zu werden. Gelegentlich erhielt er noch Unterstützung von anderen Zuschaern. Sensible Torhüter laufen tatsächlich Gefahr, einen Hörsturz zu erleiden. Und das nur, weil sie dem dummen Gequatsche der Leute hilflos ausgeliefert sind.
Hier geht's zum offiziellen Spielbericht.
No comments:
Post a Comment