Sunday, 3 October 2010

Spontan ist, wenn man trotzdem fährt

Es gibt ja nun reichlich Empfehlungen, wie man so einen Auslandsaufenthalt angehen soll. Am besten schon ein Jahr vorher beginnen, an vielen Stellen nachfragen, Bewerbungen an Unternehmen aus verschiedenen Branchen schicken und vor allem sich um alles rechtzeitig kümmern... Hab ich auch alles brav beherzigt. Das Ergebnis war, dass ich am 3. Oktober 2010 mit kaum etwas außer einem Haufen Gepäck und einer Handynummer bewaffnet los bin. 


Kein Job und  keine sichere Unterkunft, aber immerhin den ein oder anderen Europfund  im Portmonee, mehr ist bei der langen Vorbereitung nicht herausgekommen. Sämtliche Jobbewerbungen hätte ich mir vermutlich sparen können. Und die gefühlten 100 Couchsurfing-Requstes auch. Wobei, da haben mir immerhin einige geantwortet und nützliche Tipps gegeben. Ian hat mir sogar seine Handynummer geschickt und mir eine Notfall-Couch-Matratze angeboten. Nachdem ich mich schon ein wenig mit dem Gedanken „Dauercampen im Hostel“ angefreundet hatte, schien plötzlich die Rettung nah. Betti aus dem botanischen Garten wollte ihr Zimmer für 10 Tage günstig vermieten und wir wurden per SMS quasi handelseinig. Doch während ich mich entspannt hinlegte, entschied sich Betti anders und ich stand wieder ohne alles da. Auch Ian hatte ich noch nicht so erreicht, als dass ich annehmen konnte, bei ihm zu übernachten.

Mit ungebrochenem Optimismus und voller Vorfreude startete ich mein Abenteuer. Meine Eltern und Maxi begleiteten mich zum Flughafen Schönefeld und dort funktionierte zum ersten Mal alles: Der Rucksack wog bei erlaubten 20 Kilo19,8 und das etwas übergewichtige Handgepäck kam ohne Gewichtskontrolle bis in den Flieger. In diesem traf ich dann Wilhelm. Wilhelm kommt aus einer deutschen „Kolonie“ in Kalifornien und ist Matheprofessor in Durham und Berlin. Mit ihm unterhielt ich mich über Gott und die Welt und bekam jede Menge Tipps, die in den nächsten Tagen Gold wert sein könnten. Im Gegenzug erklärte ich ihm den (finanziellen) Unterschied zwischen Welt- und Kreisklasse, Fußball im Allgemeinen, Trainingsmethoden aller gängigen Sportarten und Doping. War also eine äußerst kurzweilige Reise.

 Im Bus Richtung Stadt schrieb ich noch einmal Ian – und diesmal antwortete er. Das Unterkunftsproblem war also schlagartig gelöst. Am Scottdenkmal nahm er mich in Empfang und brachte mich in seine Wohnung in der East London Street. Wer Luxus erwartet hätte, wäre schwer enttäuscht, schließlich war die Wohnung nach einer langen Partynacht etwas unordentlich, aber ich war froh überhaupt endlich zu wissen, wo ich die ersten Tage verbringen würde. (Später sollte ich feststellen, dass Wohnungen in Schottland generell nicht mit Räumlichkeiten in (Ost-)Deutschland zu vergleichen sind.) Dort traf ich zuerst auf zwei weitere Surferinnen... aus Deutschland. Doch Lisa und Sari waren beide schon auf dem Sprung, so dass es ein kurzes Vergnügen blieb. Aber sie wollten noch ein Farewell-Bier und so konnte ich immerhin meine Bieröffner-Künste noch am lebenden Objekt demonstrieren. Die WG (Ian, Craig, Martin) war vorm vorherigen Abend noch schwer gezeichnet, nichtsdestotrotz wurde ich freundlich empfangen. Die Wohnung wurde mir gezeigt und ich sollte mich wie zuhause fühlen. Mir blieb kaum was anderes übrig, denn kurz darauf war ich auch allein. Immerhin hatte Ian seine Schlüssel dagelassen. So tingelte ich noch ein wenig durch die wunderschöne Stadt und zum Tesco, deckte mich mit Leckereien ein und kehrte zurück, um diese Zeilen zu verfassen. Von der Partynacht waren noch reichlich Reste übrig und so konnte ich der Versuchung nicht widerstehen. Noch während ich dies hier schrieb, kostete ich Stella Artois... das erste Dosenbier.

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